Rhein-Neckar-Zeitung, 7./8. Januar 2012, Text: Kirsten Baumbusch
Söhne Kallstadts
Kallstadt – das ist Wein, Feigen und Kastanien, 21 Gastwirtschaften auf 1300 Einwohner und berühmte Söhne wie Donald Trump oder jener Heinz, dessen Nachfahren ihr Geld mit Ketchup machten. Nun haben Filmemacher das Pfälzer Dorf zum Schauplatz eines Heimatfilm-Experiments gemacht. Titel: „Kings of Kallstadt“. RNZ-Autorin Kirsten Baumbusch war dabei.
„Kings of Kallstadt“ ist als engagierter Dokumentarstreifen in Spielfilmlänge eines jungen, in Mannheim ansässigen Teams geplant: Thomas Theo Hofmann und Mario A. Conte als Produzenten und Simone Wendel als Filmemacherin haben das Vorhaben mit ihrer Film- und Design-Firma „Projekt Gold“ vor kurzem gestartet. Worum geht es? „Um Gemeinschaftsgeist, Dorfliebe und Größenwahn“, lautet die Antwort. Genauer gesagt, versucht Simone Wendel, selbst Kallstadterin von Geburt und Kommunikationsdesignerin von Beruf, zu ergründen, wie es sein kann, dass nicht nur die Vorfahren der Imperien-Inhaber Donald Trump, sondern auch die von Heinz- Ketchup just von hier stammen. Was ist bloß das Besondere am Kallstadter Völkchen, dass es so bedeutende Söhne in die Welt entlässt? Haben sie hier ein Giganten- Gen fürs Big Business? Veritabler Stoff also für einen Heimatfilm ganz besonderer Art, in dem nicht nur der Weg der US-Giganten ergründet wird, sondern auch die Welt der Helden des Alltags inmitten der Pfälzer Weinberge. Umdie Frage nach dem „Wie kam es?“ zu klären, hat sich das Filmer-Trio auf Spurensuche gemacht, sogar in New York haben sie schon recherchiert. Auf der Liste stand hier nicht nur ein Cousin von Donald Trump auf Long Island (der Mann ist Mitte 70 und Besitzer von 27 E-Mail-Adressen), sondern auch der Besuch eines Galadinners anlässlich der Steubenparade, um auch jenseits des großen Teichs Unterstützung zu finden. Diese größte deutsch-amerikanische Freundschaftsparade (Motto: Lederhosen, Dirndl und Tons of Gemütlichkeit) wird auch Ziel einer Übersee-Reise in diesem Jahr sein. Die Kallstadter Dorfgemeinschaft plant eine Reise dorthin, um auf der 5th Avenue die Farben ihrer Heimat zu vertreten. Der jährliche Umzug, der jeweils am dritten Samstag im September stattfindet und direkt am Trump Tower vorbeizieht, wurde 1957 von deutschstämmigen Amerikanern gegründet. Noch immer sind die Teutonen die größte Einwandergruppe der Vereinigten Staaten. Ein Viertel der US-Amerikaner sind deutscher Abstammung. Vermutlich keine schlechten Voraussetzungen, um später „Kings of Kallstadt“ auch in den USA erfolgreich zu vertreiben.
Szene 1
Treffpunkt Kirche, Warten auf das Filmteam. Ein Brunnen plätschert im gleißenden Sonnenlicht, darauf ein steinerner Löwe. Ist es der zweischwänzige Löwe der Kurpfalz? Nein, er nennt nur einen kleinen Stummel sein eigen. Das Geheimnis bleibt also ungeklärt. Plötzlich aus dem Off ein Einheimischer, an die 70 Jahre alt, kurze Hosen, legere Freizeitkleidung, Karotte in der Hand, von der er herzhaft abbeißt. „Ich kenn’ Sie“, brüllt er den Wartenden zu, „Sie sind die Frau mit der Löwenmähne und saßen heute vor mir im Bus!“ Die so titulierte weiß zwar um das Bemerkenswerte ihrer Frisur, hat den Herrn aber noch niemals gesehen und auch länger keinen Bus von innen gesehen. Erst ein genauer Blick von Angesicht zu Angesicht ergibt, man kennt sich keineswegs.
Szene 2: Eine Minute später: Auf den Stock gestützt, aber sonst bester Dinge kämpft sich eine betagte Kallstadterin, wie sich später herausstellt, die frühere Wirtin der Winzergenossenschafts-Gaststätte, die Stufen zum Brunnen hinauf, lässt sich neben die Wartenden auf die Bank plumpsen und fragt traulich: „Und woher kommt ihr?“ Die Antwort „Heidelberg“ erfreut sie sichtlich und binnen kürzester Zeit lässt sie ihrer gesamte Leben- und Krankengeschichte Revue passieren. Der Tod des Mannes und der Mutter wird ebenso gestreift, bevor sie sich nach rund fünf Minuten mit einem knackigen „genug ausgeruht, jetzt muss ich weiter“ wieder auf den Weg macht.
Szene 3: Die beiden Besucherinnen blicken verwundert. Sind sie womöglich schon Teil des Films?“ Die Sorge ist unbegründet, eben hält der Wagen des just angekommenen „Kings of Kallstadt“-Teams neben dem Brunnen. Keine Kamera im Anschlag, uff! Die Filmleute sind inzwischen voll integriert ins Gemeinwesen und am Abend zur Geburtstagsparty des kulinarischen Sponsors des Projekts, dem Wirt der Winzerstube Weick eingeladen. Aber zuvor winkt noch ein Besuch im Landhaus Bühler, hierher stammt die Weinprinzessin des vergangenen Jahres, Sarah, eine der wichtigsten Unterstützerinnen des Projekts.
Zwischenspiel
Vorbei am Anwesen fröhlich winkender Heinz-Nachfahren (in der Pfalz produzieren sie allerdings Wein, nicht das berühmt-berüchtigte Tomatenmus) wird durch die Weinberge geschlendert. Dazwischen gibt es ein wenig Geschichte. Der Gründer des Ketchup-Imperiums ist um 1840 aus der Pfalz über den großen Teich ausgewandert. Mit einer Frau Anna Margaretha Schmidt und seinem Sohn Henry John Heinz begann er Rettich und Sauerkraut einzumachen und zu verkaufen. Zum Andenken an seine Ahnen ließ Henry John später die Steinbank, die vor dem Heinz-Haus in der Hebengasse stand, abmontieren und in die Vereinigten Staaten verschiffen. Dort steht sie noch heute auf dem Firmengelände der Heinz-Company. Das Unternehmen verzeichnet einen Jahresumsatz von neun Milliarden USDollar und ist in mehr als 200 Ländern der Erde mit 20 Marken vertreten. Zuletzt bekannt wurde die Witwe des Urenkels und Erben Henry John Heinz, Theresa Heinz. Sie hat nämlich John Forbes Kerry geheiratet, der 2004 als demokratischer Präsidentschaftskandidat George W. Bush unterlag. Ihr Vermögen wird auf bis zu einer Milliarde US-Dollar geschätzt. Die Kinder von Theresa und Henry John III sind der Öko-Architekt Andrew, der immer wieder in der Pfalz seine Wurzeln erkundet, Henry John IV, der Schmied für mittelalterliche Rüstungen ist, und Christopher, der als Vorsitzender einer Investment-Firma fungiert. Donald Trumps Vorfahren-Story ist haariger. Sein Großvater Friedrich Trump war gelernter Friseur und beschloss aus großer Not heraus, seine Heimat zu verlassen und bei seinen Schwestern in den USA sein Glück zu versuchen. Mit 16 Jahren machte er sich 1885 auf den Weg, arbeitete zunächst in New York in seinem Ursprungsberuf und als Barkeeper, bevor er sich dann zu Beginn der 1890er Jahre den Goldrausch in Alaska zu nutze machte. Er eröffnete dort ein Restaurant, ließ sich in Nuggets bezahlen und legte dann mit Grundstückskäufen in New York das Fundament für das Immobilienimperium. Verliebt hatte er sich 1902 in die Kallstadterin Elisabeth Christ, mit der er drei Kinder, nämlich Elizabeth, Fred und John hatte. Fred ist der Vater von Donald Trump, der sich als Unternehmer, Milliardär und Erbauer des Trump World Towers bereitwillig als „König von New York“ titulieren lässt. Er pflegt vor allem regen Kontakt zu seinem „Second Cousin“ in Kallstadt. Soweit die amerikanischen Hauptpersonen, mit denen Simone Wendel weitläufig verwandt ist. Kein Wunder, dass sie dieser Geschichte auf den Grund gehen muss. Ihre Ausgangsthese ist eingängig und gewagt. Sie als Kallstadterin glaubt an die Kraft des positiven Beispiels und des Optimismus. Und der zeigt sich ihrer Ansicht nach im Gemeinschaftssinn. In ihrer Heimatgemeinde ist nämlich nicht nur die „Saumagenkerwe“ zuhause, sondern hier gibt es auch 400 Vereinsmitglieder mehr als die Gemeinde Einwohner zählt, mehr als 30 Weingüter existieren als Familienbetriebe, produziert werden jährlich vier Millionen Liter Wein und pünktlich um 12 Uhr läuten die Kirchenglocken zum Mittagessen und abends zum Feierabend. Auch wenn sie selbst das beschauliche Leben hier längst quittierte, ist die 37-Jährige von der Bodenständigkeit fasziniert. Und das sonnige Gemüt, das ihren Landsleuten bescheinigt wird, gehört ohnehin zu ihr ebenso wie die Genussfreudigkeit und der offene Geist.
Szene 4. Im Zuhause von Sarah Bühler herrscht Hochbetrieb. Die Speisekarte des berühmten Landhauses weist Spezialitäten auf, die auch schon mal kindgerecht aufbereitet werden. Zu den Leberknödeln kommt das Sauerkraut, aber die Kleinsten finden auch „Sau-Burger“ mit einer Scheibe Saumagen, Ketchup und Pommes. Die Produzenten Thomas Theo Hofmann und Mario A. Conte erzählen von ihrem Kennenlernen vor vielen Jahren bei der Schreinerlehre in Ludwigshafen. Ersteren verschlug es dann unter anderem als Aufnahmeleiter nach Berlin, Mario entdeckte etwas später die Filmbranche für sich. Beiden gefällt am Stoff das Echte und Urtümliche. „Das passt einfach in die Zeit, als Gegentrend zur Globalisierung“, ist sich Produzent Thomas sicher. „Mobil zu sein und sich trotzdem irgendwo daheim zu fühlen“, das prägt seiner Ansicht nach das Lebensgefühl einer ganzen Generation. Kein Wunder, dass ihn besonders freut, dass es die Stiftung Rheinland-Pfalz ist, die die Anschubförderung für die „Kings of Kallstadt“ bestreitet. Auf dem Tisch stehen die großen Dubbegläser mit den Dellen, noch sind sie mit Traubensaftschorle gefüllt, das wird sich bald ändern.
Szene 5. Auftritt der beim Besuch noch amtierenden Weinprinzessin mit Tablett und Chardonnay-Sekt aus eigener Produktion. Die Stimmung hebt sich. Trotz kariertem Rüschen-Blüschen ist Sarah Bühler ein ungewöhnlicher Typ von Weinprinzessin. Klar, das Know-how für das Metier hat sie quasi mit der Muttermilcheingesogen und ohne sie hätte das Projekt bei den Kallstadtern kaum punkten können, aber Heimattümelei ist der jungen Frau in etwa so fremd wie überkanditeltes Schaulaufen. „Manchmal ein bisschen kleinbürgerlich, aber immer offen für den Duft der großenweitenWelt“,sobeschreibt sie„ihr Kallstadt“.Zueinem Erfolg, da ist sie sich sicher, kann aber nur Simone den Streifen machen. „Sie ist hier aufgewachsen, rausgewachsen, zurückgekommen und ihr wird vertraut“, beschreibt sie das Rezept mit Stallgeruch. Die Aussicht, dass „irgendwann alle auf Kallstadt gucken“, tut ein Übriges, um das Filmprojekt zu befördern. Gleichwohl ist das nicht alles. „Ich finde es reizvoll, dass wir von außen den Spiegel vorgehalten bekommen, wir erhalten dadurch eine neue Perspektive auf uns selbst“, so Sarah philosophisch. Die Scheu vor der Kamera haben sie längst verloren.
Pfälzer Way of Life
Ausblick: Jetzt geht es vor allem ums liebe Geld. Noch ist es nicht gelungen, einen Sender vom Charme der Kallstadter endgültig zu überzeugen. Auch wenn Simone Wendel mit kleinem Team unterwegs sein wird und sogar die Kamera zum Teil selbst führen will, sind beträchtliche Mittel notwendig, damit die „Kings of Kallstadt“ tatsächlich zum Leben erweckt werden. Das soll mit Hilfe von Förderung, aber auch mit Hilfe vieler kleiner Spenden geschehen. Die Filmemacherin möchte dabei nicht nur die Lebenslinien der Giganten und das Dasein ihrer Alltagshelden nachzeichnen, sondern tiefer gehen: „Der Film ist meine Hommage ans Dorfleben. Dieses Dorf ist für mich der Mikrokosmos sozialer Erfreulichkeit, eine Art Urform des sozialen Netzwerks. Ich spüre hier Muster des Zusammenlebens, die sich auch in anderen Gesellschaftsformen entfalten könnten“.
Und ihre Zuversicht ist so ansteckend wie die Story packend. Noch ist die Pfalz weitgehend unentdeckte Terra Incognita für die Filmszene. „Es wird Zeit das zu ändern“, findet nicht nur Simone Wendel, „um den „Pfälzer Way of Life“ in die Welt zu senden“. Bewusst setzt „Projekt Gold“ dabei auch auf „Crowdfunding“ (Neudeutsch etwa: Schwarmfinanzierung), wo viele kleine Beiträge mithelfen, etwas Großes auf die Beine zu stellen. „Jeder Euro und jeder Dollar“, sagt sie mit einem Schmunzeln, „ist hochwillkommen“. Dafür wurde nun sogar von der örtlichen Winzergenossenschaft die „Kings of Kallstadt“-Weinedition ins Leben gerufen. „Mit dem Kauf einer Flasche werden 0,2 Zentimeter Film finanziert“, freut sich Produzent Hofmann.
Info: Wer den aktuellen Stand erfahren möchte, kann das im Internet unter www.Kings-of-Kallstadt.de tun, auf Facebook ist das Projekt unter www.facebook.com/kingsofkallstadt. Wer sich für das Projekt interessiert und es unterstützen möchtte, kann sich bei Simone Wendel unter wendel@projekt-gold.de melden.
Söhne Kallstadts
Kallstadt – das ist Wein, Feigen und Kastanien, 21 Gastwirtschaften auf 1300 Einwohner und berühmte Söhne wie Donald Trump oder jener Heinz, dessen Nachfahren ihr Geld mit Ketchup machten. Nun haben Filmemacher das Pfälzer Dorf zum Schauplatz eines Heimatfilm-Experiments gemacht. Titel: „Kings of Kallstadt“. RNZ-Autorin Kirsten Baumbusch war dabei.
„Kings of Kallstadt“ ist als engagierter Dokumentarstreifen in Spielfilmlänge eines jungen, in Mannheim ansässigen Teams geplant: Thomas Theo Hofmann und Mario A. Conte als Produzenten und Simone Wendel als Filmemacherin haben das Vorhaben mit ihrer Film- und Design-Firma „Projekt Gold“ vor kurzem gestartet. Worum geht es? „Um Gemeinschaftsgeist, Dorfliebe und Größenwahn“, lautet die Antwort. Genauer gesagt, versucht Simone Wendel, selbst Kallstadterin von Geburt und Kommunikationsdesignerin von Beruf, zu ergründen, wie es sein kann, dass nicht nur die Vorfahren der Imperien-Inhaber Donald Trump, sondern auch die von Heinz- Ketchup just von hier stammen. Was ist bloß das Besondere am Kallstadter Völkchen, dass es so bedeutende Söhne in die Welt entlässt? Haben sie hier ein Giganten- Gen fürs Big Business? Veritabler Stoff also für einen Heimatfilm ganz besonderer Art, in dem nicht nur der Weg der US-Giganten ergründet wird, sondern auch die Welt der Helden des Alltags inmitten der Pfälzer Weinberge. Umdie Frage nach dem „Wie kam es?“ zu klären, hat sich das Filmer-Trio auf Spurensuche gemacht, sogar in New York haben sie schon recherchiert. Auf der Liste stand hier nicht nur ein Cousin von Donald Trump auf Long Island (der Mann ist Mitte 70 und Besitzer von 27 E-Mail-Adressen), sondern auch der Besuch eines Galadinners anlässlich der Steubenparade, um auch jenseits des großen Teichs Unterstützung zu finden. Diese größte deutsch-amerikanische Freundschaftsparade (Motto: Lederhosen, Dirndl und Tons of Gemütlichkeit) wird auch Ziel einer Übersee-Reise in diesem Jahr sein. Die Kallstadter Dorfgemeinschaft plant eine Reise dorthin, um auf der 5th Avenue die Farben ihrer Heimat zu vertreten. Der jährliche Umzug, der jeweils am dritten Samstag im September stattfindet und direkt am Trump Tower vorbeizieht, wurde 1957 von deutschstämmigen Amerikanern gegründet. Noch immer sind die Teutonen die größte Einwandergruppe der Vereinigten Staaten. Ein Viertel der US-Amerikaner sind deutscher Abstammung. Vermutlich keine schlechten Voraussetzungen, um später „Kings of Kallstadt“ auch in den USA erfolgreich zu vertreiben.
Szene 1
Treffpunkt Kirche, Warten auf das Filmteam. Ein Brunnen plätschert im gleißenden Sonnenlicht, darauf ein steinerner Löwe. Ist es der zweischwänzige Löwe der Kurpfalz? Nein, er nennt nur einen kleinen Stummel sein eigen. Das Geheimnis bleibt also ungeklärt. Plötzlich aus dem Off ein Einheimischer, an die 70 Jahre alt, kurze Hosen, legere Freizeitkleidung, Karotte in der Hand, von der er herzhaft abbeißt. „Ich kenn’ Sie“, brüllt er den Wartenden zu, „Sie sind die Frau mit der Löwenmähne und saßen heute vor mir im Bus!“ Die so titulierte weiß zwar um das Bemerkenswerte ihrer Frisur, hat den Herrn aber noch niemals gesehen und auch länger keinen Bus von innen gesehen. Erst ein genauer Blick von Angesicht zu Angesicht ergibt, man kennt sich keineswegs.
Szene 2: Eine Minute später: Auf den Stock gestützt, aber sonst bester Dinge kämpft sich eine betagte Kallstadterin, wie sich später herausstellt, die frühere Wirtin der Winzergenossenschafts-Gaststätte, die Stufen zum Brunnen hinauf, lässt sich neben die Wartenden auf die Bank plumpsen und fragt traulich: „Und woher kommt ihr?“ Die Antwort „Heidelberg“ erfreut sie sichtlich und binnen kürzester Zeit lässt sie ihrer gesamte Leben- und Krankengeschichte Revue passieren. Der Tod des Mannes und der Mutter wird ebenso gestreift, bevor sie sich nach rund fünf Minuten mit einem knackigen „genug ausgeruht, jetzt muss ich weiter“ wieder auf den Weg macht.
Szene 3: Die beiden Besucherinnen blicken verwundert. Sind sie womöglich schon Teil des Films?“ Die Sorge ist unbegründet, eben hält der Wagen des just angekommenen „Kings of Kallstadt“-Teams neben dem Brunnen. Keine Kamera im Anschlag, uff! Die Filmleute sind inzwischen voll integriert ins Gemeinwesen und am Abend zur Geburtstagsparty des kulinarischen Sponsors des Projekts, dem Wirt der Winzerstube Weick eingeladen. Aber zuvor winkt noch ein Besuch im Landhaus Bühler, hierher stammt die Weinprinzessin des vergangenen Jahres, Sarah, eine der wichtigsten Unterstützerinnen des Projekts.
Zwischenspiel
Vorbei am Anwesen fröhlich winkender Heinz-Nachfahren (in der Pfalz produzieren sie allerdings Wein, nicht das berühmt-berüchtigte Tomatenmus) wird durch die Weinberge geschlendert. Dazwischen gibt es ein wenig Geschichte. Der Gründer des Ketchup-Imperiums ist um 1840 aus der Pfalz über den großen Teich ausgewandert. Mit einer Frau Anna Margaretha Schmidt und seinem Sohn Henry John Heinz begann er Rettich und Sauerkraut einzumachen und zu verkaufen. Zum Andenken an seine Ahnen ließ Henry John später die Steinbank, die vor dem Heinz-Haus in der Hebengasse stand, abmontieren und in die Vereinigten Staaten verschiffen. Dort steht sie noch heute auf dem Firmengelände der Heinz-Company. Das Unternehmen verzeichnet einen Jahresumsatz von neun Milliarden USDollar und ist in mehr als 200 Ländern der Erde mit 20 Marken vertreten. Zuletzt bekannt wurde die Witwe des Urenkels und Erben Henry John Heinz, Theresa Heinz. Sie hat nämlich John Forbes Kerry geheiratet, der 2004 als demokratischer Präsidentschaftskandidat George W. Bush unterlag. Ihr Vermögen wird auf bis zu einer Milliarde US-Dollar geschätzt. Die Kinder von Theresa und Henry John III sind der Öko-Architekt Andrew, der immer wieder in der Pfalz seine Wurzeln erkundet, Henry John IV, der Schmied für mittelalterliche Rüstungen ist, und Christopher, der als Vorsitzender einer Investment-Firma fungiert. Donald Trumps Vorfahren-Story ist haariger. Sein Großvater Friedrich Trump war gelernter Friseur und beschloss aus großer Not heraus, seine Heimat zu verlassen und bei seinen Schwestern in den USA sein Glück zu versuchen. Mit 16 Jahren machte er sich 1885 auf den Weg, arbeitete zunächst in New York in seinem Ursprungsberuf und als Barkeeper, bevor er sich dann zu Beginn der 1890er Jahre den Goldrausch in Alaska zu nutze machte. Er eröffnete dort ein Restaurant, ließ sich in Nuggets bezahlen und legte dann mit Grundstückskäufen in New York das Fundament für das Immobilienimperium. Verliebt hatte er sich 1902 in die Kallstadterin Elisabeth Christ, mit der er drei Kinder, nämlich Elizabeth, Fred und John hatte. Fred ist der Vater von Donald Trump, der sich als Unternehmer, Milliardär und Erbauer des Trump World Towers bereitwillig als „König von New York“ titulieren lässt. Er pflegt vor allem regen Kontakt zu seinem „Second Cousin“ in Kallstadt. Soweit die amerikanischen Hauptpersonen, mit denen Simone Wendel weitläufig verwandt ist. Kein Wunder, dass sie dieser Geschichte auf den Grund gehen muss. Ihre Ausgangsthese ist eingängig und gewagt. Sie als Kallstadterin glaubt an die Kraft des positiven Beispiels und des Optimismus. Und der zeigt sich ihrer Ansicht nach im Gemeinschaftssinn. In ihrer Heimatgemeinde ist nämlich nicht nur die „Saumagenkerwe“ zuhause, sondern hier gibt es auch 400 Vereinsmitglieder mehr als die Gemeinde Einwohner zählt, mehr als 30 Weingüter existieren als Familienbetriebe, produziert werden jährlich vier Millionen Liter Wein und pünktlich um 12 Uhr läuten die Kirchenglocken zum Mittagessen und abends zum Feierabend. Auch wenn sie selbst das beschauliche Leben hier längst quittierte, ist die 37-Jährige von der Bodenständigkeit fasziniert. Und das sonnige Gemüt, das ihren Landsleuten bescheinigt wird, gehört ohnehin zu ihr ebenso wie die Genussfreudigkeit und der offene Geist.
Szene 4. Im Zuhause von Sarah Bühler herrscht Hochbetrieb. Die Speisekarte des berühmten Landhauses weist Spezialitäten auf, die auch schon mal kindgerecht aufbereitet werden. Zu den Leberknödeln kommt das Sauerkraut, aber die Kleinsten finden auch „Sau-Burger“ mit einer Scheibe Saumagen, Ketchup und Pommes. Die Produzenten Thomas Theo Hofmann und Mario A. Conte erzählen von ihrem Kennenlernen vor vielen Jahren bei der Schreinerlehre in Ludwigshafen. Ersteren verschlug es dann unter anderem als Aufnahmeleiter nach Berlin, Mario entdeckte etwas später die Filmbranche für sich. Beiden gefällt am Stoff das Echte und Urtümliche. „Das passt einfach in die Zeit, als Gegentrend zur Globalisierung“, ist sich Produzent Thomas sicher. „Mobil zu sein und sich trotzdem irgendwo daheim zu fühlen“, das prägt seiner Ansicht nach das Lebensgefühl einer ganzen Generation. Kein Wunder, dass ihn besonders freut, dass es die Stiftung Rheinland-Pfalz ist, die die Anschubförderung für die „Kings of Kallstadt“ bestreitet. Auf dem Tisch stehen die großen Dubbegläser mit den Dellen, noch sind sie mit Traubensaftschorle gefüllt, das wird sich bald ändern.
Szene 5. Auftritt der beim Besuch noch amtierenden Weinprinzessin mit Tablett und Chardonnay-Sekt aus eigener Produktion. Die Stimmung hebt sich. Trotz kariertem Rüschen-Blüschen ist Sarah Bühler ein ungewöhnlicher Typ von Weinprinzessin. Klar, das Know-how für das Metier hat sie quasi mit der Muttermilcheingesogen und ohne sie hätte das Projekt bei den Kallstadtern kaum punkten können, aber Heimattümelei ist der jungen Frau in etwa so fremd wie überkanditeltes Schaulaufen. „Manchmal ein bisschen kleinbürgerlich, aber immer offen für den Duft der großenweitenWelt“,sobeschreibt sie„ihr Kallstadt“.Zueinem Erfolg, da ist sie sich sicher, kann aber nur Simone den Streifen machen. „Sie ist hier aufgewachsen, rausgewachsen, zurückgekommen und ihr wird vertraut“, beschreibt sie das Rezept mit Stallgeruch. Die Aussicht, dass „irgendwann alle auf Kallstadt gucken“, tut ein Übriges, um das Filmprojekt zu befördern. Gleichwohl ist das nicht alles. „Ich finde es reizvoll, dass wir von außen den Spiegel vorgehalten bekommen, wir erhalten dadurch eine neue Perspektive auf uns selbst“, so Sarah philosophisch. Die Scheu vor der Kamera haben sie längst verloren.
Pfälzer Way of Life
Ausblick: Jetzt geht es vor allem ums liebe Geld. Noch ist es nicht gelungen, einen Sender vom Charme der Kallstadter endgültig zu überzeugen. Auch wenn Simone Wendel mit kleinem Team unterwegs sein wird und sogar die Kamera zum Teil selbst führen will, sind beträchtliche Mittel notwendig, damit die „Kings of Kallstadt“ tatsächlich zum Leben erweckt werden. Das soll mit Hilfe von Förderung, aber auch mit Hilfe vieler kleiner Spenden geschehen. Die Filmemacherin möchte dabei nicht nur die Lebenslinien der Giganten und das Dasein ihrer Alltagshelden nachzeichnen, sondern tiefer gehen: „Der Film ist meine Hommage ans Dorfleben. Dieses Dorf ist für mich der Mikrokosmos sozialer Erfreulichkeit, eine Art Urform des sozialen Netzwerks. Ich spüre hier Muster des Zusammenlebens, die sich auch in anderen Gesellschaftsformen entfalten könnten“.
Und ihre Zuversicht ist so ansteckend wie die Story packend. Noch ist die Pfalz weitgehend unentdeckte Terra Incognita für die Filmszene. „Es wird Zeit das zu ändern“, findet nicht nur Simone Wendel, „um den „Pfälzer Way of Life“ in die Welt zu senden“. Bewusst setzt „Projekt Gold“ dabei auch auf „Crowdfunding“ (Neudeutsch etwa: Schwarmfinanzierung), wo viele kleine Beiträge mithelfen, etwas Großes auf die Beine zu stellen. „Jeder Euro und jeder Dollar“, sagt sie mit einem Schmunzeln, „ist hochwillkommen“. Dafür wurde nun sogar von der örtlichen Winzergenossenschaft die „Kings of Kallstadt“-Weinedition ins Leben gerufen. „Mit dem Kauf einer Flasche werden 0,2 Zentimeter Film finanziert“, freut sich Produzent Hofmann.
Info: Wer den aktuellen Stand erfahren möchte, kann das im Internet unter www.Kings-of-Kallstadt.de tun, auf Facebook ist das Projekt unter www.facebook.com/kingsofkallstadt. Wer sich für das Projekt interessiert und es unterstützen möchtte, kann sich bei Simone Wendel unter wendel@projekt-gold.de melden.
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